Erfolgreicher, als der Arzt erlaubt
Danny McCray saß nach dem ersten Saisonsieg der Eigner Angels Nördlingen auf ihrem Stuhl und lächelte. Nein, ihr lädiertes Knie habe im entscheidenden letzten Viertel nicht mehr weh getan und das habe sie auch dem Coach gesagt, der ihr die Auswechslung anbot. „Ich habe gespürt, dass ich dem Team helfen kann“, sagte die 30-jährige US-Amerikanerin, Profibasketballerin seit vielen Jahren, nach einem aufregenden Bundesliga-Match am Dienstagabend in der Hermann-Keßler-Halle. Es endete mit einem 68:56 (16:12, 13:25, 15:15, 24:4)-Überraschungssieg der Angels gegen den amtierenden Vizemeister und Pokalsieger TK Hannover Luchse und McCray hatte einigen Anteil daran.
Nur drei Tage nach der unglücklichen Auftaktniederlage in Leverkusen stand bereits das erste Heimspiel für Nördlingens Bundesliga-Korbjägerinnen an. Die Angels starteten vor rund 400 Zuschauern mit Brandy Beasley, Nicole Brochlitz, Mariam Hasle-Lagemann, Erika Davenport und Leonie Kambach in das Feiertagsspiel. Davenport erzielte mit einer schönen Aktion unter dem Korb die ersten Heimpunkte der neuen Saison, aber nach zwei Minuten stand es 2:7. Neu-Kapitänin Lisa Bertoldt, frühzeitig eingewechselt, und erneut Davenport verkürzten auf 6:7. Beste Stimmung auf den Rängen, als Beasley die Führung zurückeroberte und Luchse-Trainerin mit Angels-Vergangenheit Sidney Parsons sich zur ersten Auszeit genötigt sah.
Das 8:7 hatte einige Zeit Bestand, weil auf beiden Seiten Vieles daneben ging. Der Kampfgeist der neuformierten Angels war vor allem in der Defense zu spüren, wo sie dem amtierenden Vizemeister und Pokalsieger keine freien Würfe erlaubten. Beasley sorgte mit zwei verwandelten Freiwürfen für das 14:12, Davenport fünf Sekunden vor der Viertelsirene im schönen Zusammenspiel mit ihrer Landsfrau Danielle McCray für das 16:12. McCray, in Leverkusen noch gar nicht im Einsatz, waren von der medizinischen Abteilung aufgrund ihrer Bänderdehnung im Knie nur zehn Minuten Einsatzzeit zugestanden worden. Doch dazu später mehr.
Mit Beginn des zweiten Viertels übernahmen die Niedersachsen die Initiative. Als Taya Hanson, Teamkollegin von Ex-Angel Sami Hill in der kanadischen Nationalmannschaft, zwei Dreier hintereinander versenkte, stand es 19:24 und Coach Matiss Rozlappa war zu seiner ersten Auszeit gezwungen. Bei den Nördlingerinnen ging vor allem aus der Distanz praktisch alles daneben und nur Davenport konnte mit großem Körpereinsatz punkten (20:29, 16. Minute). Dann verkürzten Beasley sowie die junge Lettin Enija Viksne auf 24:29 und auch die erst 16-jährige Anna Löffler kam zu einem Kurzeinsatz. Beim 26:29 tanzte Erika Davenport mit mehreren Körpertäuschungen ihre Gegenspielerin regelrecht schwindlig, übertrieb es aber anschließend mit zwei Dreierversuchen. Der dritte saß dann – mit Ablauf der Shot-Clock – zum 29:34 (20.). Schade, dass Hannover kurz vor der Pause ebenfalls mit einem Dreier von US-Guard Dara Taylor konterte. Nur vier Assists (direkte Korbvorlagen) und eine Trefferquote von 33 Prozent waren im ersten Abschnitt zu wenig, um mit dem Vizemeister durchgehend auf Augenhöhe zu bleiben.
Die Wurfausbeute des Heimteams wurde auch zu Beginn des zweiten Durchgangs nicht besser. Die gegen ihren Ex-Verein lange Zeit glücklose Nicole Brochlitz, in Leverkusen noch Spielerin des Tages, Leonie Kambach und Brandy Beasley vergaben allesamt, erst Kambach mit Freiwürfen und endlich Brochlitz punkteten zum 33:39 (14.). Aber Hannover konterte eiskalt, unter anderem mit einem Dreier von Hanson, zum 33:46 (25.). Verwandelte Freiwürfe von Brochlitz und Davenport brachten das Heimteam wieder heran (39:48) und als US-Girl Beasley endlich auch einen Dreier traf, verkürzten die Angels auf acht Punkte Differenz, die auch vor dem Schlussdurchgang Bestand hatten (44:52). Immerhin war damit das dritte Viertel exakt ausgeglichen.
Acht Punkte Rückstand sind im Basketball nichts, wenn man mal einen Lauf hat. Den hatten die Nördlingerinnen zwar zunächst nicht, aber mit viel Einsatz arbeiteten sie sich in Schlagdistanz. 5:55 Minuten Restspielzeit standen auf der Uhr, als Nicole Brochlitz zwei Freiwürfe zum 50:54 verwandelte – jetzt wurde auch das Publikum noch einmal deutlich lauter. Die mit 23 Punkten und 16 Rebounds überragende Davenport traf unter dem Korb zum 52:54 und Viksne glich mit rasantem Solo sogar aus (36.). Der Vizemeister schien konsterniert. Danielle Mc Cray punktete zum 56:54 und ihre Landsfrau Davenport traf ähnlich elegant zum 58:54 (38.). Hannovers Auszeit kam reichlich spät, um den Nördlinger Lauf noch zu stoppen. Das gelang auch nicht: Bertholdt und McCray erhöhten auf 62:54 (39.), Davenport traf zwei Freiwürfe zum 64:54. Viksne zum 66:54 und McCray mit Freiwürfen zum 68:56 – der Vizemeister schien völlig konsterniert. Mit 24:4 (!) deklassierten die Angels ihre Gäste im letzten Viertel und durften sich von ihren begeisterten Fans feiern lassen.
„Sehr schön“ sei es, gegen den Ex-Verein auf diese Art und Weise zu gewinnen, freute sich Jugendnationalspielerin Nicole Brochlitz über den Angels-Coup. Chefcoach Matiss Rozlappa analysierte, dass er im Schlussviertel eigentlich gar nicht so viel geändert habe, nur habe sein Team das getan, was er ihm ständig eintrichtere: knallhart verteidigen und nach Ballgewinnen in der Offensive Vollgas geben.
Und Danny McCray? Sie hatte am Ende zwölf Punkte bei 67 Prozent Trefferquote und vier von vier Freiwürfen auf ihrem persönlichen Konto. Eine stattliche Bilanz in 17:29 Minuten Einsatzzeit. Siebeneinhalb Minuten mehr, als der Arzt erlaubt hatte. Aber wen störte das schon an diesem denkwürdigen Basketball-Abend …?
Eigner Angels Davenport 23, McCray 12, Brochlitz 8, Viksne 10, Hasle-Lagemann, Bertholdt 4, Beasley 9, Löffler, Musiienko, Kambach 2. Erfolgreichste Werferinnen bei Hannover: Hanson 14, Rollerson 18, Stockton 9.
Text: Robert Milde
Bild: Michael Soller